Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse
Hintergrund/Einordnung
Das Spannungsverhältnis der Diskussion um die (öffentliche)
Daseinsvorsorge besteht zwischen den Interessen der kommunalen Selbstverwaltung,
den Verbraucherinteressen, den Interessen der privaten Dienstleister
sowie den Anforderungen des europäischen Wettbewerbsrechts. Zusammenfassend
lassen sich zwei gegensätzliche Befürchtungen fest stellen:
- Die KOM könnte im Rahmen ihrer Marktöffnungsstrategie
in traditionelle Strukturen der Mitgliedstaaten einbrechen, das Subsidiaritätsprinzip
missachten und die Mitglied-staaten in ihrer politischen Gestaltungsfreiheit
einschränken.
- Mit der Berufung auf die Daseinsvorsorge könnten wichtige Wirtschaftsbereiche
dem Wettbewerb in der Union entzogen werden, was dem Ziel, einen gemeinsamen,
dynamischen Wirtschaftsbereich zu schaffen, zuwider laufen würde.
Es gilt, einen sinnvollen "Ausgleich" zwischen diesen Polen
zu finden, um einerseits Vorteile der Marktöffnung zu ermöglichen.
Andererseits darf es weder zu einer Verletzung des Subsidiaritätsprinzips
noch zu Einbußen bei der Gewährleistung der betroffenen Dienstleistungen
kommen. Außerdem soll Rechtssicherheit geschaffen werden.
Für Deutschland hat die Liberalisierung von Bereichen der Daseinsvorsorge
des-halb besonderes Gewicht, weil diese als wichtiges Element der verfassungsrechtlich
garantierten kommunalen Selbstverwaltung verstanden werden. Weitere
Liberalisierungen würden erhebliche Einschnitte für die Struktur
und Finanzlage der Kommunen bedeuten. Auf der anderen Seite steckt das
größte Privatisierungspotenzial bei der Kommunalwirtschaft
und kann daher Motor für wirtschaftliches Wachstum sein.
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Rechtsgrundlagen/ Entwicklung
Das Grünbuch unterteilt in drei Kategorien von Dienstleistungen:
- von netzgebundenen Wirtschaftszweigen erbrachte Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse: Hierunter fallen z.B. die bereits liberalisierten
netzgebundenen Wirtschaftszweite (Energie, Telekommunikation, Verkehr,
Post), für die es sektorspezifische Gemeinschaftsregeln gibt.
- Dienstleistungen bzw. Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse: Wirtschaftliche Tätigkeiten, die von den Mitgliedstaaten
oder der Gemeinschaft mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden
werden und für die das Kriterium gilt, dass sie im Interesse
der Allgemeinheit erbracht werden. Hierunter fallen z.B. die Abfallwirtschaft,
Wasserversorgung oder der öffentlich-rechtliche Rundfunk. In
diesen Sektoren besteht kein umfassendes Regelungs-werk auf Gemeinschaftsebene,
es werden aber teilweise einzelne Aspekte in anderen Bereichen mitgeregelt,
die aber nicht "daseinsvorsorgespezifisch" sind.
- Nichtwirtschaftliche Tätigkeiten und Dienstleistungen ohne
Auswirkung auf den Handel:
Diese werden vom Grünbuch ausgespart, da hier der Binnenmarktbezug
fehlt. Es gelten lediglich allgemeine Grundsätze des Gemein-schaftsrahmens
wie der Grundsatz der Nichtdiskriminierung oder der Grundsatz der
Freizügigkeit für den Zugang zu sämtlichen Leistungen.
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Grundsätzlich unterliegen auch öffentliche Unternehmen den
Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln der EU - es darf also nicht zu Behinderungen
oder Verzerrungen des Wettbewerbs kommen (Art. 86 EGV). Für Unternehmen,
die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
betraut sind, gilt dies allerdings nicht, wenn andernfalls die ihnen
übertragenen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert
würden. Die öffentlichen Dienstleistungen wurden 1997 in Art.
16 des Vertrags von Amsterdam aufgenom-men, 2000 wurde im Art. 36 der
Charta der Grundrechte das (soziale) Grundrecht auf Anerkennung und
Achtung des Zugangs zu den öffentlichen Dienstleistungen verankert.
Sie erhalten damit eine herausgehobene Stellung im europäischen
Vertragswerk. Auch der Verfassungsentwurf enthält eine Verpflichtung
der Union und der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der Dienste
von allgemeinem Interesse.
Das Europäische Parlament hat am 14.01.2004 über einen Initiativbericht
zum Grünbuch abgestimmt. Es befürwortet den Erlass eines europäischen
Rechtsrahmens und nimmt bestimmte öffentliche Dienste von der Liberalisierung
aus (Wasser- und Abfallversorgung), ohne dass eine Liberalisierung in
einzelnen (anderen) Marktsegmenten von vornherein ausgeschlossen wird.
Die Sektoren Bildung, öffentliches Gesundheitswesen, sozialer Wohnungsbau
sowie die mit der Sozialversicherung und mit sozialer Integration in
Zusammenhang stehenden gemeinwohlorientierten Leistungen werden ebenfalls
vom Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln ausgenommen.
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Fragen und Antworten
Was ist überhaupt ein Grünbuch und welchen Inhalt hat
das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse?
Grünbücher sind von der Kommission veröffentlichte Mitteilungen
über einen bestimmten Politikbereich. Sie richten sich an interessierte
Dritte, Organisationen und Einzelpersonen, die dadurch die Möglichkeit
erhalten, an der Konsultation und Beratung teilzunehmen. In einigen
Fällen ergeben sich daraus legislatorische Maßnahmen - meist
folgt ein Weißbuch, woraus dann ein konkreter Gesetzesvorschlag
(Richtlinie oder Verordnung) hervor geht.
Dies ist auch der Zweck des Grünbuchs zur Daseinsvorsorge, das
im Mai 2003 veröffentlicht wurde. Es wird zunächst eine "Bestandsaufnahme"
gemacht. Es werden beispielsweise die rechtlichen Grundlagen für
Erforderlichkeit und Umfang möglicher Gemeinschaftsmaßnahmen
erörtert oder die Erfahrungen aus den bereits liberalisierten Sektoren
zusammengefasst. Es stellen sich Fragen der Finanzierung und Organisation,
um die Sicherstellung der betroffenen Dienstleistungen garantieren zu
können. Die KOM will auf dieser Grundlage eine öffentliche
Debatte einleiten und hat Stellungnahmen von Betroffenen eingefordert.
Nach der Auswertung wird eine Entscheidung getroffen, ob es weitere
Maßnahmen der Gemeinschaft geben wird. Die SozialdemokratInnen
im Europäischen Parlament machen sich für den raschen Erlass
einer Rahmenrichtlinie stark, damit Rechtssicherheit in diesem Bereich
geschaffen wird.
Hat die Gemeinschaft überhaupt Regelungskompetenz?
Zum Teil. Die Gemeinschaft hat immer nur dann Regelungskompetenz, wenn
ein Binnenmarktbezug gegeben ist und daher eine gemeinschaftsweite Regelung
erforderlich ist. Ist dies nicht der Fall, sind die Mitgliedstaaten
selbst zuständig, das ist Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips.
Für den Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
gibt es keine ausdrückliche Kompetenzzuweisung in den Europäischen
Verträgen. Klar ist nur, dass für Dienstleistungen, die Wohlfahrts-
oder Sozialschutzaufgaben erfüllen, eindeutig eine einzelstaatliche,
regionale und lokale Zuständigkeit gegeben ist. Für die übrigen
Dienstleistungen von allgemeinem Interesse besteht eine überwiegende
Zuständigkeit der nationalen, regionalen und örtlichen Behörden,
die Dienstleistungen zu definieren, zu organisieren, zu finanzieren
und zu überwachen. Bisher gibt es lediglich allgemeine Regeln,
die auch den Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
betreffen. Beispielsweise unterliegen auch öffentliche Unternehmen,
denen besondere Rechte gewährt werden, den EU Wettbewerbs- und
Binnenmarktregeln, auch sie dürfen also den Wettbewerb grundsätzlich
nicht behindern oder verzerren (es sei denn, sie können andernfalls
ihre Aufgaben nicht erfüllen). Des Weiteren gelten die Beihilfebestimmungen
des EG-Vertrages auch für öffentliche Unternehmen. Für
umfassende gemeinschaftliche Regelungen im Bereich der Daseinsvorsorge
wäre also eine Vertragsänderung erforderlich. Die Gemeinschaft
kann aber auf der Grundlage der bestehenden allgemeinen (Binnenmarkt-)
Regelungen eine Rahmenrichtlinie erlassen.
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Bei den WTO- bzw. GATS-Verhandlungen wird doch auch über Dienstleistungen
verhandelt. Wie ist das Verhältnis dieser Verhandlungsebenen zueinander?
Es muss zwischen der (internen) Diskussion auf EU-Ebene und der Diskussion
auf WTO/GATS-Ebene unterschieden werden. Die GATS-Verhandlungen betreffen
den Grad der Marktöffnung für Drittstaaten, die Diskussion
auf EU-Ebene betrifft nur die EU-Mitgliedstaaten. Bei den GATS-Verhandlungen
treten die EU-Staaten als gemeinsamer Verhandlungspartner auf. Für
die EU verhandelt die Kommission, namentlich der Handelskommissar Pascal
Lamy. Ihm erteilt der Ministerrat ein Mandat, in dem fest gehalten ist,
welchen Dienstleistungssektor jeder Mitgliedstaat unter welchen Bedingungen
öffnen will. Auch der aktuelle Stand der internen Liberalisierung
der EU wird berücksichtigt. Die Europäische Gemeinschaft hat
sich entschieden, bestimmte Dienstleistungen von allgemeinem Interesse,
die bereits dem Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes unterliegen,
im Rahmen der GATS-Verpflichtungen dem Wettbewerb zu öffnen, so
dass Anbietern aus Drittstaaten Zugang zum europäischen Markt gewährt
wird. Es ist aber kein Automatismus, dass Märkte, die auf EU-Ebene
liberalisiert sind, auch im Rahmen der GATS-Verhandlungen für Drittstaaten
geöffnet werden müssen.
Warum eine Rahmenrichtlinie?
Durch eine Rahmenrichtlinie kann sicher gestellt werden, dass bestimmte
Qualitätsanforderun-gen nicht unterschritten werden. Denn der Bereich
der Daseinsvorsorge ist im europäischen Rechtsrahmen nur spärlich
geregelt. Es gibt keine Qualitätsbestimmungen, keine Zuständigkeitsregeln
und keine Abgrenzungskriterien. Folge ist, dass eine erhebliche Rechts-
und Pla-nungsunsicherheit für die betroffenen Akteure (insbesondere
die Kommunen) besteht. Diese muss beseitigt werden, was mit dem Erlass
einer Rahmenrichtlinie möglich ist. Nur mit der entsprechenden
Klarheit kann das wirtschaftliche Privatisierungspotenzial, das in der
deutschen Kommunalwirtschaft steckt, entfaltet werden. Und nur dann
kann die Privatisierung auch Motor für wirtschaftliches Wachstum
sein.
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Die verschiedenen Dienstleistungen können doch gar nicht verglichen
werden - was soll dann eine Rahmenrichtlinie? Was soll in einer Rahmenrichtlinie
geregelt werden?
Die Dienstleistungen unterliegen in der Tat einer Dynamik aufgrund des
technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels. Darüber
hinaus stellen sich in der Tat sehr unterschiedliche, sektorspezifische
Anforderungen an die einzelnen Dienstleistungen. Wasser kann beispielsweise
nicht mit Strom verglichen werden. Die Versorgung der Bevölkerung
mit sauberem Trinkwasser ist von elementarer Bedeutung. Dieser Bereich
kann daher auch nicht teilweise dem Wettbewerb geöffnet werden.
Deshalb hat sich das Europäische Parlament - auf großen Druck
und mit Mehrheit der SozialdemokratInnen - auch gegen eine Liberalisierung
der Wasserwirtschaft ausgesprochen. Trotz der Unterschiede gibt es aber
allgemeine Grundsätze/Prinzipien, die für alle Dienstleistungen
gelten müssen. Diese sollen in der Rahmenrichtlinie verbindlich
fest geschrieben werden. Dazu gehören die Gewährleistung eines
gleichberechtigten, diskriminierungsfreien und kostengünstigen
Zugangs zu den Leistungen; die Sicherstellung eines flächendeckenden,
kontinuierlichen Angebots, das in ausreichendem Umfang sowie in ausreichender
Qualität bereitgestellt wird; die Absicherung eines hohen Beschäftigungsstands
und die Wahrung der Rechte von ArbeitnehmerInnen sowie die Sicherung
der natürlichen Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen.
Geht der Erlass einer europäischen Rahmenrichtlinie zu Lasten
der Zuständigkeiten der Kommunen? Wird es zu einer Zwangsliberalisierung
kommen?
Nein. Die Regelung und Durchsetzung der Gemeinwohlverpflichtungen sowie
deren organisatorische Abwicklung liegt nach wie vor bei den nationalen
Behörden; innerhalb Deutschlands also aufgrund der verfassungsrechtlich
garantierten kommunalen Selbstverwaltung bei den Kommunen. Jeder Mitgliedstaat
kann demnach frei entscheiden, ob er die Dienstleistungen über
seine eigene Verwaltung direkt oder durch Dritte (öffentliche oder
private) erbringen will. Dies wird auf europäischer Ebene durch
die Grundsätze der Gestaltungsfreiheit und Neutralität gewährleistet.
Es darf also keine Privatisierung von Unternehmen der öffentlichen
Hand durch die europäische Ebene geben - weder branchenbezogen
noch im Einzelfall.
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Sinkt die Qualität der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
in Zukunft? Welche Qualitätsstandards gelten demnächst?
Nein. Genau dafür wird die Rahmenrichtlinie Standards setzen, die
in der gesamten Gemeinschaft eingehalten werden müssen. Den Mitgliedstaaten
bleibt es darüber hinaus frei gestellt, ob sie zusätzliche
Maßnahmen festlegen wollen. Auch in den bisher liberalisierten
Märkten kam es in Deutschland nicht zu einem Qualitätsverlust
- im Gegenteil: Im Bereich der Telekommunikation beispielsweise hat
der Wettbewerb zu besseren Leistungen für den VerbraucherInnen
geführt.
Werden die Dienstleistungen teurer/billiger?
Der kostengünstige Zugang zu den Dienstleistungen ist ein Prinzip,
das gewährleistet werden muss - gerade, wenn bestimmte Sektoren
dem Wettbewerb geöffnet werden sollen. Nach den Erfahrungen, auf
die wir aus den bereits liberalisierten netzgebundenen Märkten
wie Telekommunikation oder Strom zurückgreifen können, hatte
die Marktöffnung zwar Preissenkungen für VerbraucherInnen
zur Folge. Da man sich aber nicht zu 100% auf diese Erfahrungen verlassen
kann, gibt es soziale Bestimmungen, die den Zugang - erforderlichenfalls
kostenlos - sicher stellen, beispielsweise indem der Staat die BürgerInnen
finanziell unterstützt, wenn sie die Leistungen nicht aus eigener
Kraft bezahlen können (Beispiel Telefonanschluss für SozialhilfeempfängerInnen).
Diese Prinzipien werden auch für die übrigen Dienstleistungen
von allgemeinem Interesse garantiert (schon wegen Art. 36 der Charta
der Grundrechte).
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Liberalisierung bedeutet oft, dass Kosten eingespart werden müssen;
zuerst werden meist die Personalkosten gestrichen - wird es zu einem
Verlust von Arbeitsplätzen kommen?
Die SozialdemokratInnen im Europäischen Parlament setzen sich dafür
ein, dass genau dies nicht passieren wird. In die Rahmenrichtlinie soll
die Absicherung eines hohen Beschäftigungsstands und die Wahrung
der Rechte von ArbeitnehmerInnen aufgenommen werden. Liberali-sierung
bedeutet zudem nicht, dass es per se zu Entlassungen kommt - ganz im
Gegenteil:
Liberalisierung ist auch ein Motor für mehr Wachstum und Beschäftigung
und führt so gerade zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Die
Liberalisierung der netzgebundenen Wirtschaftszweige hat unionsweit
zum Entstehen von insgesamt fast einer Million neuer Arbeitsplätze
geführt!
Will sich der Staat vor Verantwortung drücken, nur um Kosten
zu sparen? Ist das der Anfang des Endes vom Sozialstaat?
Nein. Denn alle UnionsbürgerInnen haben ein (soziales) Grundrecht
auf Anerkennung und Achtung des Zugangs zu öffentlichen Dienstleistungen.
Dies muss auch in Zukunft gewährleistet werden. Die SozialdemokratInnen
im Europäischen Parlament setzen sich dafür ein, dass bestimmte
sensible Bereiche Tabu sind für Liberalisierungsvorhaben - wie
beispielsweise die Wasserwirtschaft. Das Europäische Parlament
hat sich weiter gegen die Anwendung der Wettbewerbsregeln u.a. in den
Bereichen Bildung, öffentliches Gesundheitswesen und sozialer Wohnungsbau
ausgesprochen. In Bereichen, in denen eine Liberalisierung sinnvoll
erscheint, soll es nach dem Willen der SozialdemokratInnen aber eine
schrittweise, kontrollierte und behutsame Marktöffnung geben, damit
die Chancen einer Liberalisierung wahrgenommen werden können.
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Sind staatliche Finanzierungen in Zukunft im Bereich der Daseinsvorsorge
überhaupt noch möglich?
Ja. Das Europäische Parlament setzt sich dafür ein, dass die
Mitgliedstaaten auch weiter das Recht haben werden, öffentliche
Dienstleistungen mit Gebühren zu finanzieren, wenn sie es für
angebracht halten. Möglich soll auch bleiben, dass die Mitgliedstaaten
sich für eine Finanzierung durch Gebühren entscheiden, die
Betreibung der Dienstleistungen aber nicht öffentlich erfolgen
muss (Public Private Partnerships). Hierdurch ist ein beträchtliches
Potenzial von Verbesserung der Qualität und Effizienz der Bereitstellung
von Dienstleistungen möglich. Zudem gelten staatliche Kompensierungszahlungen
für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Altmark) unter be-stimmten
Voraussetzungen nicht als Beihilfen (siehe Unten). Im Übrigen bleibt
die Entscheidungshoheit über die Wahl der Finanzierungsart weiter
bei den Mitgliedstaaten - es gilt lediglich der allgemeine Grundsatz,
dass die Methode zu wählen ist, die den Wettbewerb und den Binnenmarkt
am wenigsten beeinträchtigt.
Exkurs: Problematik der Beihilfen - EuGH-Rechtsprechung
"Altmark Trans GmbH"
Staatliche Subventionen bzw. Beihilfen (als eine
Form der Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse)
unterliegen grundsätzlich dem europarechtlichen Beihilfeverbot.
Der EuGH hat in seinem Altmark-Trans GmbH-Urteil entschieden, dass öffentliche
Zuschüsse nicht von vornherein eine Beihilfe darstellen (und die
Beihilfebestimmungen somit erst gar nicht anwendbar sind), wenn folgende
Voraussetzungen vorliegen:
- Das begünstigte Unternehmen muss mit der Erfüllung vorher
klar definierter gemeinwirtschaftlicher Verpflich-tungen betraut worden
sein.
- Die Parameter zur Berechnung des Finanzausgleichs sind zuvor objektiv
und transparent aufzustellen.
- Der Finanzausgleich darf lediglich die Mehrkosten einschließlich
eines angemessenen Unternehmensgewinns umfassen, die sich aus den
gemeinwirtschaftli-chen Verpflichtungen heraus ergeben.
- Wenn das betraute Unternehmen nicht mittels öffentlichem Ausschreibungsverfahren
ausgewählt wurde, ist die Höhe des erforderlichen Finanzausgleichs
auf Grundlage einer Kostenanalyse zu bestimmen, die sich am Maßstab
eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens auszurichten
hat.
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